Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein

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1 Nachhaltigkeit

‚Nachhaltigkeit‘ oder ‚nachhaltig‘ bedeutet im ursprünglichen Sinn, dass eine Tätigkeit oder ein Ereignis einen langfristigen Einfluss auf darauffolgende Ereignisse übt (vgl. Duden, 2021a). Das Wort der Nachhaltigkeit ist heutzutage jedoch anders konnotiert: Eine Handlung oder Entität wird als nachhaltig klassifiziert, nicht wenn sie grundsätzlich einen langfristigen Einfluss übt, sondern mit einem ökologischen Prinzip des Handelns vereinbar ist. Dieses Prinzip des Handelns konstituiert laut Duden den verhältnismäßigen Verbrauch von Ressourcen. Wenn eine Handlung oder Entität weniger Ressourcen verbraucht, als im Zuge der Handlung oder Existenz der Entität generiert werden, lässt sich von einer nachhaltigen Handlung oder Entität sprechen (vgl. Duden, 2021a).

In philosophischen Fachkreisen wurde im Kontext der Nachhaltigkeit die Maxime des Philosophen Hans Jonas populär, die er in seiner Monographie Das Prinzip Verantwortung in Anlehnung an Immanuel Kants kategorischen Imperativ etabliert hat: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“ (Jonas, 1979, S. 36). Jonas´ Ausführungen fußen zwar nicht primär auf dem Begriff der Nachhaltigkeit, suggerieren jedoch einen verantwortungsvollen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Bezüglich der Nachhaltigkeit sollte expliziert werden, dass die Ressourcenkomponente relativ ist: Hinsichtlich des Prinzips der Nachhaltigkeit ist nicht relevant, wie viele Ressourcen zur Verfügung stehen, sondern wie viele Ressourcen generiert im Vergleich zu verbraucht werden. Ressourcen können sowohl durch menschliches Handeln – beispielsweise das Pflanzen von Bäumen – als auch durch natürliche, nichtanthropogene Prozesse erzeugt werden – zum Beispiel die selbstständige Reproduktion von Bäumen. Bei Ressourcen handelt es sich um vorhandene Bestände von Entitäten, welche zur Erfüllung bestimmter Zwecke aufgewendet werden können (vgl. Duden, 2021b). Der Begriff der Ressource ist mehrdimensional – das bedeutet, dass es unterschiedliche Arten der Ressourcen geben kann, beispielsweise ökologische, ökonomische und soziale Ressourcen (vgl. Varijakshapanicker et al., 2019, S. 39). Demnach ist es möglich, dass hinsichtlich der Nachhaltigkeit das Berücksichtigen unterschiedlicher Ressourcen miteinander konkurriert – zum Beispiel kann es vorkommen, dass ein nachhaltiger Umgang mit wirtschaftlichen Ressourcen mit dem nachhaltigen Umgang ökologischer Ressourcen konkurriert. Für den Begriff der Nachhaltigkeit relevant ist im heutigen Sprachgebrauch in erster Linie die Dimension der ökologischen Ressourcen (vgl. Duden, 2021a).

2 Umweltbewusstsein

Umweltbewusstsein bezeichnet die Überzeugung, dass menschlichen Handlungen das Potenzial inhäriert, die den Menschen umgebende sogenannte natürliche Umwelt zu beschädigen (vgl. Duden, 2021c). In diesem Sinne ist Jonas´ Prinzip der Verantwortung zu verstehen: Jonas setzt voraus, dass Menschen dazu in der Lage sind, ihre Lebensfähigkeit auf dem Planeten Erde zu zerstören. Diese Lebensfähigkeit schöpft sich letztlich aus den Umweltbegebenheiten (vgl. Jonas, 1979, S. 36 f.).

Das Umweltbewusstsein innerhalb der Bundesrepublik Deutschland nimmt seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich zu. Insbesondere innerhalb der letzten Jahre lässt sich eine deutliche Zunahme an Umweltbewusstsein verzeichnen (vgl. Williams et al., 2019, S. 18), die sich unter anderem in den Fridays-For-Future-Demonstrationen der jüngeren Generationen – insbesondere der sogenannten Generation Z – manifestiert.

3 Umweltbewusstsein führt zu Nachhaltigkeit?

Begrifflich ist zwischen Nachhaltigkeit einerseits und Umweltbewusstsein andererseits zu unterscheiden. Während Nachhaltigkeit ein Prinzip des Handelns konstituiert, in dessen Rahmen weniger Ressourcen verbraucht als erzeugt werden, handelt es sich bei Umweltbewusstsein um eine Überzeugung. Empirische Datenerhebungen haben gezeigt, dass Überzeugungen und Handlungen nicht immer koinzidieren (vgl. Corraliza und Berenguer, 2000, S. 832).

Die Frage, wie Handlungen und Überzeugungen miteinander zusammenhängen, wird unterschiedlich beantwortet. In der antiken Philosophie war üblicherweise die Überzeugung prävalent, dass die praktische Lebensführung unmittelbar mit dem Wissen um einen Sachverhalt in Zusammenhang steht. Diese Auffassung geht insbesondere auf den antiken Philosophen Sokrates zurück, der beispielsweise die These vertrat, dass letztlich jeder Mensch das Gute, agáthon, anstrebt und zu verwirklichen versucht, die Menschen sich jedoch bezüglich der Tatsache uneinig sind, was das Gute konstituiert. So würde beispielsweise auch der Tyrann letztlich das Gute tun wollen. Er handle jedoch nicht danach – nicht, weil seine Überzeugungen und seine Lebensführung divergieren, sondern weil er schlichtweg nicht weiß, was das Gute ist. Laut einem niedergeschriebenen Dialog des Philosophen Platon, in dem sein Lehrer Sokrates auftritt, diagnostiziert Sokrates zwar eine Diskrepanz zwischen einer Überzeugung und einer Handlung im Fall des Tyrannen, tut dies jedoch auf der Metaebene der Überzeugung: Die Überzeugung des Tyrannen, dass tyrannisches Verhalten gut ist, und das Handeln des Tyrannen harmonieren; ebenso harmonieren die Überzeugung des Tyrannen, dass man das Gute im Handeln verwirklichen soll, und das Handeln des Tyrannen in Anbetracht seiner subjektiven Meinung, dass tyrannisches Verhalten gut ist. Seine subjektive Meinung konfligiert jedoch mit der objektiven Realität des Guten. Demzufolge ist der Tyrann zwar in seinem Handeln auf inhaltlicher Ebene konsequent, doch letztendlich verwirklicht er nicht das, was er will: das Gute (vgl. Platon, 467c-469b). Hingegen ist der antike Philosoph Aristoteles der Auffassung, dass sogenannte Willensschwäche, akrasía, tatsächlich existiert – die Überzeugung, dass etwas gut ist, und zugleich die Nichtverwirklichung jener Überzeugung im Handeln. Aristoteles unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Willensschwäche und führt diese auf bestimmte Gefühlszustände – beispielsweise Zorn – zurück (vgl. Aristoteles, Buch VII, 6). Demzufolge existieren für Aristoteles unterschiedliche Facetten der Kognition, die gegebenenfalls miteinander in Konflikt stehen.

Im Rahmen der empirischen Forschung wird bisweilen von einer Art Opportunismus ausgegangen: Die Überzeugungen von Menschen spielen hinsichtlich ihres Handelns eine Rolle und können als Prädiktoren fungieren, um bestimmte Verhaltensweisen zu prognostizieren. Zu diesem Befund ist beispielsweise eine Studie des Jahres 2000 gelangt, in deren Rahmen 125 Studierende der Universität Madrid untersucht wurden (vgl. Corraliza und Berenguer, 2000). Die Studie operierte mittels Befragungen und ermittelte sowohl moralische Überzeugungen als auch selbstbekundete Handlungen der Befragten.

Im Rahmen der Datenerhebung von Corraliza und Berenguer zeigte sich, dass Überzeugungen zwar durchaus Handlungen prägen, das Ausmaß des Einflusses jedoch maßgeblich durch sogenannte situationelle Umstände bedingt ist (vgl. Corraliza und Berenguer, 2000, S. 832). Das bedeutet, dass wenn die Umstände das Handeln nach den eigenen Überzeugungen erleichtern – indem dieses beispielsweise sozial belohnt wird oder keinen exorbitanten Mehraufwand erfordert –, Menschen ihren Überzeugungen im Handeln nachkommen, die Effektstärke jedoch drastisch geringer ist, wenn die situationellen Umstände das Handeln nach den eigenen Überzeugungen erschweren (vgl. Corraliza und Berenguer, 2000, S. 832).

Im Kontext des hiesigen Artikels lässt sich demnach konkludieren, dass Umweltbewusstsein allein nicht ausreicht, um das Prinzip des ökologisch nachhaltigen Handelns zu verwirklichen. Bei der Mehrheit der Menschen ist es anscheinend notwendig, dass sie nachhaltigkeitsbegünstigenden Umständen ausgesetzt sind, um jenes Prinzip des Handelns tatsächlich im Lebensalltag zu realisieren. Um unterschiedliche Motivationsquellen geht es im Blogbeitrag Zufriedenheit und Motivation.

Literaturverzeichnis

Aristoteles: Nikomachische Ethik. Stuttgart: Reclam.

Corraliza, José A. und Berenguer, Jaime (2000): Environmental Values, Beliefs, and Actions. In: Environment and Behavior 32 (6), S. 832–848.

Duden (2021a): Nachhaltigkeit. Online verfügbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Nachhaltigkeit, zuletzt geprüft am 28.03.2021.

Duden (2021b): Ressource. Online verfügbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Ressource, zuletzt geprüft am 05.05.2021.

Duden (2021c): Umweltbewusstsein. Online verfügbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Umweltbewusstsein, zuletzt aktualisiert am 18.06.2021, zuletzt geprüft am 18.06.2021.

Jonas, Hans (1979): Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Platon: Gorgias. Stuttgart: Reclam.

Varijakshapanicker, Padmakumar; Mckune, Sarah; Miller, Laurie; Hendrickx, Saskia; Balehegn, Mulubrhan; Dahl, Geoffrey E. und Adesogan, Adegbola T. (2019): Sustainable livestock systems to improve human health, nutrition, and economic status. In: Animal Frontiers 9 (4), S. 39–50.

Williams, Heike; Benthin, Rainer und Gerlich, Angelika (2019): Umweltbewusstsein in Deutschland 2018. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Hg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Umweltbundesamt. Online verfügbar unter: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/umweltbewusstsein_2018_bf.pdf, zuletzt geprüft am 18.06.2021.Klicken oder tippen Sie hier, um Text einzugeben.